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Zurück zur ÜbersichtUnfall auf Kreuzung: Linksabbieger kann nicht auf Nutzung der rechten Fahrspur durch Rechtsabbieger vertrauen - Vorrang des Rechtsabbiegers
Der Vorrang des Rechtsabbiegers umfasst auch die Wahl zwischen mehreren Fahrspuren zur Weiterfahrt. Der Linksabbieger darf nicht darauf vertrauen, dass der Rechtsabbieger zur Weiterfahrt die rechte Fahrspur nutzt. Kommt es zu einem Unfall, muss der Rechtsabbieger jedoch mithaften, wenn die Missachtung der Wartepflicht durch den Linksabbieger erkennbar war. So entschied das Oberlandesgericht Saarbrücken (Az. 3 U 49/23).
Auf einer Kreuzung in Saarbrücken kam es zwischen zwei Pkw zu einem Verkehrsunfall. Der Fahrer eines VW Polo bog nach rechts ab und wollte zur Weiterfahrt die linke Fahrspur nutzen. Zur gleichen Zeit bog ein entgegenkommender Linksabbieger ebenfalls in die linke Fahrspur ab. Der Linksabbieger ging davon aus, dass der Polo-Fahrer zur Weiterfahrt die rechte Fahrspur nutzen würde. Der Linksabbieger klagte schließlich auf Zahlung von Schadensersatz. Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung.
Das Oberlandesgericht vertrat die Auffassung, dass der Kläger gegen § 9 Abs. 4 StVO verstoßen habe, indem er die für Linksabbieger geltende Wartepflicht missachtet habe. Der Kläger hätte den Abbiegevorgang des Polo-Fahrers abwarten müssen. Dabei spiele es keine Rolle, dass dieser zur Weiterfahrt die linke Fahrspur nutzen wollte. Wer nach links in eine Straße mit mehreren Fahrspuren abbiege, dürfe grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass ein entgegenkommender Rechtsabbieger nur in den für ihn rechten Fahrstreifen einbiegen werde. Etwas anderes könne gelten, wenn der Rechtsabbieger den Anschein erwecke, er wolle nicht den linken Fahrstreifen nutzen. So liege der Fall hier aber nicht. Der Polo-Fahrer habe nicht gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen, da insofern kein Fahrstreifenwechsel im Sinne der Vorschrift vorgelegen habe. Der Vorrang des Rechtsabbiegers gegenüber dem wartepflichtigen Linksabbieger umfasse auch die Wahl zwischen mehreren Fahrspuren. Daher liege auch kein Verstoß gegen das Gebot, sich rechts einzuordnen oder gegen das Rechtsfahrgebot vor. Dem Beklagten sei aber ein Sorgfaltsverstoß gemäß § 1 Abs. 2 StVO anzulasten, da die Missachtung der Wartepflicht durch den Kläger erkennbar gewesen sei. Der Polo-Fahrer hätte also den Abbiegevorgang zumindest verlangsamen müssen. Dieser Verkehrsverstoß wiege aber nicht so schwer wie der Vorfahrtsverstoß des Klägers, sodass eine Haftungsverteilung von 70 % zu 30 % zu Lasten des Klägers angemessen sei.
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